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Mittwoch, 10. August 2016

Gehoppel

Es ist Tag. Es ist Stadt. Das Tier bewegt sich sehr langsam über den harten Asphalt. Ungewöhnlich langsam für ein Kaninchen. Es ist Tag. Es ist nicht die Zeit an dem ein Kaninchen einfach so auf der Straße mitten in der lärmenden Stadt herumhoppelt. Ihre Zeit ist die Nacht, dann werden die Grünanlagen der Stadt zu ihrem Terrain und die Straßen gehören zu den Wegen ihres vielleicht ein paar hundert Meter umfassenden Lebensraumes. Aber nicht jetzt. Nicht wenn so viel los ist außerhalb der Höhle. Es ist sehr schwach. Es ist krank, verwirrt, vielleicht gar verzweifelt?



Da wartet einer in seinem kleinem Auto und betrachtet das Kaninchen dabei wie es sich langsam über die Straße bewegt. Am Bordstein dreht es sich um. Es blickt zurück. Der Typ in seinem Auto ist überrascht, damit hätte er bei seinem Voyeurismus nicht gerechnet. Generell ist er es nicht gewohnt allzu oft in Kontakt mit lebenden Tieren zu sein. Er ist viel beschäftigt. Überstunden und Schlafmangel sind seine weiteren Vornamen. Er steigt morgens von der  Eigentumsloftwohnung am Hafen in seinen kleinen Flitzer und hat den ganzen Tag nichts als Zahlen, Gleichungen, Fonds und Investments im Kopf und kehrt erst spätabends zurück und trinkt dann noch ein gutes Glas Wein um wieder herunterzukommen vom Monotonen betrachten des Bildschirmes. Um fit zu bleiben, spielt er am Wochenende Squash. Immer gegen die Wand. Dieser Freiraum tut gut. Zwei mal im Jahr fliegen er und seine Frau in den Urlaub. Malediven. Dubai. Kinder haben sie glücklicherweise keine. Seine Ehe ist so gut wie geschieden. Da sie allerdings genauso viel arbeitet wie er, haben sie noch nicht die Zeit gefunden diesen Umstand einander mitzuteilen.

Sein Leben ist eigentlich das was man als scheiße bezeichnen würde. Es wurde gefüllt mit einer Hand voll Ersatzbefriedigungen. Das wird ihm in dem Moment bewusst, in dem er da in der Mittagspause im Zweitauto sitzt und ihn ein krankes Kaninchen anblickt. So glasklar erscheint es auf einmal. Und genause felsenfest fasst er in diesem Moment den Entschluss etwas zu verändern. Zu kündigen. Sich mal für irgendwas gutes zu engagieren. Ja, gleich heute Abend wird er es seiner Frau sagen. Zmindest wenn es nicht schon zu spät ist und sie schon schläft. und wenn das mit der Abfindung passt. Kündigen ist da ja gar nicht so einfach. Nicht das die noch wegfällt wenn er selbst kündigt. Gar nicht mal so einfach. Dem Kaninchen ist das alles egal. Es hat seine eigenen Probleme und hoppelt langsam aus der Bildfläche.

















(Kennzeichen verfälscht)

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